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Männer oder Frauen, die den gleichen geistigen Äther ausstrahlen, die gleiche Impulse, Sehnsüchte und Aspirationen haben, stehen nicht immer zu uns im Verhältnis von Eltern, Geschwistern oder sonstigen Blutsverwandten, – daraus und aus der Unsitte, die Blutsverwandte räumlich zusammenleben lässt, entspringt oft unabsehbarer Schaden!

Niemand kann gesund und glücklich leben, es sei denn mit Menschen der gleichen Gedankenatmosphäre (einer materiellen Emanation, die ihnen entströmt). Blutsverwandtschaft kann oder kann auch nicht diese Atmosphäre erregen.

Würde ein Arbeiter oder Handwerker, dessen Gedanken kaum über den kleinen Kreis seiner Täglichkeit hinausgehen, gezwungen, ausschließlich mit Gelehrten und Philosophen zu verkehren, ohne einen Menschen seines eigenen Schlages zu sehen, – dieser Mensch würde mit der Zeit melancholisch werden, sich bedrückt fühlen und auch an seiner Gesundheit Schaden leiden. Das gleiche Gesetz wirkt, wenn der höhere Intellekt zu inferiorer Gesellschaft verurteilt ist. In beiden Situationen befinden sich viele, die mit ihren Blutsverwandten zusammenleben.

Kinder leben, gedeihen und berauschen sich in der Gedankensphäre, die von ihren Spielkameraden ausströmt. Man scheide sie von allem derartigen Verkehr, und sie welken pflanzengleich. Als Kind lebte jeder von uns in dieser Atmosphäre des Kindlichen! Lebte in der spirituellen Gemeinschaft der Kindheit, gab und empfing von seinen Kameraden ein gewisses spielerisches Gedankenelement. Wir wundern uns zuweilen, dass es so gar nicht mehr gelingen will, diesen vertrauten reinen Rausch, diese tanzende Klarheit, aus Kinder- und Jugendfreundschaft geboren, im Gefühl wiederzuerwecken. Es ist, weil unser Geist jetzt einer neuen Gedankennahrung bedarf, die einer anderen, wahrscheinlich höheren spirituellen Ordnung angehört. Würde uns diese zuteil, die Zeit verflöge so herrlich und angenehm wie einst mit den Kameraden unserer Frühlingsjahre.

Wer uns mit diesem neuen Geisteselement versehen kann, ist unser wirklicher Verwandter.

Doch diese Relation kann nur dauern, wenn auch wir ihm mit gleichem vergelten.

In vielen Berufen sind die Kollegen die wirklichen Verwandten, sie fühlen sich untereinander weit mehr zu Hause als an dem Ort, den sie ihr Heim nennen, wo sie schlafen, essen und einen öden Sonntag verbringen.

Geistigkeit jeden Grades, jede Gedankenordung, muss freie Verbindung mit ihresgleichen unterhalten können, sonst leidet sie schwer, – Blutsverwandtschaft hat herzlich wenig mit solchem psychischen Austausch zu schaffen!

Eine Summe unbewusster Tyrannei wird durch die Bande der Verwandtschaft ausgeübt. Erwachsene Kinder pflegen ihren Vätern und Müttern innerlich bisweilen Plätze im Leben anzuweisen, die diese vielleicht – vielleicht aber auch nicht – einzunehmen gewillt sind. Dem Wesen nach mag sich dieser nie ausgesprochene Gedanke etwa so formulieren lassen: „Die Mutter wird aber wirklich zu alt, um helle Farben zu tragen.“ – „Es wäre einfach lächerlich, wollte Mama (als Witwe) sich wieder verheiraten.“ – „Mutter will doch natürlich nicht mehr in unser heiteres Leben hineingezogen werden, sie bleibt lieber zu Hause, um die Kinder zu überwachen.“ Oder: „Es wäre doch an der Zeit, dass Vater sich vom Geschäft zurückzöge.“

Keine Kraft arbeitet subtiler, keine ist mächtiger, Resultate zu wirken im Guten wie Bösen, als jener gleichmäßige Gedankenstrom, der, aus mehreren Menschen zugleich strahlend, sich vereint, um an einer Person gewünschte Wirkungen hervorzurufen ob bewusst oder blind: Die Kraft arbeitet und bringt das Resultat. Richten sich nun die gleichen Meinungen von drei bis vier Personen auf jenes Wesen, das ihnen neue Leiber vermittelt hat und das sie „Mutter“ nennen, so ist die schweigende Kraft dieser Meinung sehr mächtig, um die Mutter gerade an jenen Platz zu stellen und dort festzubannen, der für die Kinder am bequemsten scheint. Der ganze konventionelle Gedankengang, der das vielfach unterstützt, lautet also: „Es liegt im Gang der Natur, dass Mutter alt wird und sich langsam aus dem aktiveren Leben in das Haus zurückzieht, um dort mit anderen kaltgestellten Familienmitgliedern sich zu begnügen und nützlich zu machen als Oberwärterin in Zeiten der Krankheit oder bei sonstigen Familienereignissen.“ Durch die vereinte Wirkung solchen Empfindens in der Umgebung verliert so manche Mutter ihre Privilegien als Individuum und handelt genau, wie ihre Kinder unbewusst wollen.

Mancher meint nun vielleicht: „Aber sollte ich denn nicht mit meinen Sorgen und Kümmernissen zu meiner eigenen Mutter oder nächsten Verwandten gehen dürfen und ihre Hilfe annehmen, wie ich es stets von Kindheit auf gewöhnt bin? Sollten nicht, vor allen andern, meine Verwandten mir beistehen in Zeiten der Not?“

Gewiss, wenn die Mutter oder die anderen Blutsverwandten es freudig und freiwillig tun und die Hilfe direkt vom Herzen kommt, – nicht etwa in der unausgesprochenen Form: „Ich glaube, ich werde das wohl tun müssen, weil es mein Bruder oder Sohn oder sonstiger Verwandter ist, der mich darum ersucht.“ Viele gibt es der Dienste, die unbewusst in solchen Fällen mehr gefordert als erbeten werden. Bürden werden Verwandten aufgeladen, nur weil sie Verwandte sind! Opfer an Geld – an Protektion –! Alles, auch Gastfreundschaft, wird einfach erwartet – Geschenke werden erwartet, wiewohl doch wirkliche Geschenke – Überraschungen sein sollten und eine erwartete Überraschung keine mehr ist!

Kein lebender, bleibender Gewinn kommt aber von Gaben, bei denen nicht das Herz mitgeht, die dem Geber nicht restlose Freude bereiten! Weil mit der Gabe noch etwas Unsichtbares mitgeht, das weit wertvoller ist als diese selbst. Es ist der Gedanke, der sie begleitet und dem Empfänger Wohl oder Wehe bringt. Wenn ein Mensch, seinen Mitteln gemäß, einem Bedürftigen auch nur die kleinste Geldspende gibt, und der Gedanke, der mit der Gabe geht, ist ein tiefer Wunsch, Hilfe zu bringen und intensive Freude, sie bringen zu dürfen, so wirft er über den Bedürftigen ein Gedankenelement gleich einem magischen Mantel. Dann hat er viel mehr getan als eine momentane physische Not gelindert! Er hat spirituelle Gewalt verliehen! Der Wunsch, jener Bedürftige möge die Kraft gewinnen, um sich aus Bettelei und Abhängigkeit befreien zu können, ist eine lebendige Hilfe, um solche Kräfte in Wahrheit zu erlangen. Es wird ein Gedankensame in den Bedürftigen versenkt, der Wurzel fassen kann, um in irgendeiner Periode physischen oder spirituellen Lebens zu keimen.

Wer geizig gibt, mit einer Art Widerwillen, nur unter dem Zwang öffentlicher oder privater Meinung, weil es erwartet wird oder weil andere auch gegeben haben, tut verhältnismäßig wenig, sei es auch Vater, Bruder oder Sohn, dem er gibt – lindert er doch die materielle Not allein, und selbst diese nur für eine gewisse Zeit. Er kleidet, nährt einen Leib, aber nicht die Seele, die den Leib bewohnt, so lange der Gedanke, der die Gabe begleitet, nicht von gutem Willen und tiefer Freude, helfen zu können, getragen ist. Das geizige Empfinden, das den Obdachlosen nur duldet, nicht mit offenen Armen empfängt, einem Verwandten, wer immer er sei, nur unter dem Zwang der öffentlichen Meinung hilft, ist ein schwerer Schade für Geber wie Empfänger. Dem Empfänger wird ein Gedankenstrom gesandt von übler Art und Wirkung, den er mit gleichem vergilt, erfüllt doch das Bewusstsein, eine Gabe erpresst, erzwungen zu haben, die Menschen durchaus nicht mit glühendem Dank, sondern mit etwas ganz anderem.

„Ist es denn nicht Pflicht, nahe Verwandte, wenn sie im Alter hilflos werden, zu kleiden, zu nähren, zu erhalten?“ wird man fragen.

Etwas aus „Pflichtgefühl“ tun, heißt eben noch lange nicht, aus Liebe zu einem Menschen handeln; und so ist wenig damit erreicht, wenn materielle Bedürfnisse zeitweilig gestillt werden, die geistigen aber nicht! Solange der spirituelle Teil des Wesens darben muss, ist die Hilfe im Physischen ohne Dauer und Bestand. Eltern, die in hohem Alter von ihren Kindern einfach aus Pflichtgefühl erhalten werden, haben oft hungernde und wunde Seelen – wund, weil sie sich geduldet fühlen, darbend, weil keine Liebe mit dem Dienste geht, den sie von den Kindern empfangen. Kinder wieder, die ohne Freude von Eltern beim Eintritt in die Welt begrüßt werden, sind tief unglücklich und leiden Not an ihrer edelsten Geistigkeit! Liebe ist ein Lebenselixier, eine Quelle von Gesundheit, Kraft und Aktivität für jeden Menschen; wieviel mehr für ein Kind.

Es gibt Mütter, die sagen: „Mag aus mir werden, was will, wenn nur meine Kinder gut heranwachsen – dann ist meine Mission erfüllt!“ Eine Mutter sollte sehr viel Wert darauf legen, „was aus ihr selbst wird“! Wenn ihr Wachsen in Weisheit und Kultur gehemmt wird, wird auch das ihrer Kinder gehemmt sein. Eine wahre Mutter wird immer danach streben, von ihren Kindern ebenso bewundert wie geliebt zu werden. Bewunderung und Respekt wird aber nur jener Frau zuteil, die hoch, stark und frei ihren Platz im Leben nicht nur behauptet, sondern auch unermüdlich aufwärts strebt nach immer weiteren Zielen! Solche Liebe und Hochachtung kann keine Mutter von erwachsenen Kindern verlangen, die sich in eine Ecke hinter dem Herd verkriecht, zu einer Kreuzung zwischen Krankenpflegerin und Bonne wird und ihre Familie lehrt, sie als Nutztier bei allen häuslichen Kalamitäten, wirklichen oder eingebildeten, zu missbrauchen. Aus eben diesen Gründen werden Mütter von ihren erwachsenen Söhnen und Töchtern so oft über die Achsel angesehen oder beiseite geschoben. Mütter, die sich so tief erniedrigen, um, wie sie fälschlich glauben, ihren Kindern zu nützen, müssen zuweilen diesen Irrtum furchtbar sühnen! Wer sich stets von anderen meistern lässt, seine eigenen Neigungen und Bestrebungen aufgibt, um fremdes Echo zu werden, nach fremden Wünschen lebt, verliert immer mehr sein Selbstbestimmungsrecht.

Er absorbiert so viel von den fremden Gedanken um ihn her, dass er ein Teil dieser anderen wird, ein Werkzeug, das automatisch dem stummen Willen der Umgebung gehorcht. Solch ein Mensch wird fossil, sinkt zu hilfloser Dienstbarkeit herab, verliert immer mehr physisch und geistig die Fähigkeit, etwas zu leisten, wird der Ofenhocker, der senile Großvater, der hilflose Greis (oder die hilflose Greisin), wird mehr geduldet als geliebt.

Das war in vielen Fällen die Wirkung der Gedanken erwachsener Kinder auf ihre allzu opferbereiten Eltern. Es ist die stumme Macht der Geister, die aus der steten Umgebung auf die Väter oder Mütter drückt, die diese zusammenbrechen lässt. Viel von jener Decrepitität und Schwäche, die den „zunehmenden Jahren“ zugeschrieben wird, ist auf den schädlichen Einfluss einer Gruppe von Geistern zu setzen, die einander zu überwältigen und zu beherrschen trachten, – ob unbewusst oder nicht, ändert wenig an den Resultaten! Ein Mann mag rüstig und froh sein großes Geschäft leiten, die erwachsenen Söhne aber greifen mehr und mehr in das Unternehmen ein, eine schweigende Kraft schließt die Jugend gegen das Alter zusammen – eine Kraft, der der einzelne kaum standzuhalten vermag. Es ist ein fester, steter, unaufhörlicher Druck nach einer bestimmten Richtung. Er wirkt Tag und Nacht. Er wirkt um so sicherer, als der Vater von diesem Druck, dem er ausgesetzt ist, gar nichts ahnt, gar nichts weiß, dass es solche schweigenden Kräfte gibt! Er beginnt sich nur müde zu fühlen! Die alte Energie lässt nach, und traurig schreibt er dies alles dem nahenden Greisentum zu.

„Sollte man nicht seine Kinder über alles lieben?“ Das Wort „sollen“ ist dem Wesen der Liebe fremd!

Liebe geht, wohin sie will und zu wem sie will, – nach den tieferen Gesetzen ihres Lebens. Es gibt Eltern, die keine wirkliche Liebe zu ihren Kindern fühlen, wie auch diese ohne Liebe zu ihren Eltern sind. Keinen Teil trifft Schuld! Sie waren ohne die Fähigkeit der Liebe zueinander geboren, ohne deshalb leer an Liebe zu sein!

Oft glaubt ein Vater sein Kind zu lieben und liebt nur seine eigenen Ansichten, seine eigenen Erwartungen in ihm. Dann maßt er sich eine vollkommene Tyrannei über den Geist des Kindes an, er mesmerisiert es seinen Wünschen gemäß. Gewiss sollen Schutz und Kontrolle über Leib und Seele des Kindes so lange walten, bis der junge Organismus den Anforderungen an das Leben gewachsen ist. Über diese Zeit hinaus einem Menschen allen Lebensunterhalt gewähren aber heißt ihm eine ungeheure Ungerechtigkeit, ja Grausamkeit antun! Denn auf diese Weise wird er verhindert, jene Fähigkeiten zu entwickeln, die ein junges Wesen wie Schwingen stark und selbstsicher durch das Leben tragen. Ein Instinkt treibt die Vögel, ihre heranwachsenden Jungen aus dem Nest zu locken, sowie sie zu fliegen imstande sind. Das wäre ein schlechter Dienst, wollten sie die Jungen im Nest behalten, wo ihre Schwingen ungeübt verkümmern werden, wo Stürme, Eis und Schnee bevorstehen, denen auch die alten Vögel weichen müssen. Auch bedürfen Tier- wie Menschenmütter Zeiten der Ruhe nach jenen Perioden, die der Generation gewidmet waren. Die Dauer dieser Ruhezeiten sollte aber der Kompliziertheit des Organismus proportional sein und der Kraft, die es erforderte, ein so hoch differenziertes Wesen zur Reife und Vollendung zu bringen. In der Zeit der Ruhe aber sollten Eltern von allen Forderungen seitens ihrer erwachsenen Kinder befreit sein. So ist es bei den Vögeln und Tieren des Waldes, – nur Menschenmütter sind nie vor den Ansprüchen ihrer Kinder sicher, bis sie erschöpft und völlig ausgesogen ins Grab sinken. Frei aber sollten sie sein, wieder so frei wie in ihrer Mädchenzeit, ehe sie Mütter wurden. Mutterschaft ist eine höchstwichtige, unerlässliche Phase menschlicher Existenz, um gewisse Fähigkeiten und Erkenntnisse zur Reife zu bringen. Aber bei keiner einzelnen Erfahrung darf man ein Leben lang verweilen!

Das Leben in seiner höheren Vollkommenheit wird ein ewiger Wechsel der Zustände sein – keine Tretmühle wie jetzt. Bleiben erwachsene Kinder noch jahrelang bei der Mutter, nachdem sie längst reif sind, sich das Leben selbst zu erobern, sehen sie nur noch in ihr die Stütze und bequeme Hilfe, und lässt die Mutter sich in dieser Weise missbrauchen, so leiden am Ende alle Teile. Die Mutter aber, die sich zu Opfern zwingen lässt, die sie auf die Dauer zugrunde richten müssen, beraubt sich vielleicht des neuen Lebens, das ihrer wartet, wenn die Brut flügge geworden ist. Sie hilft den Kindern, aus ihr eine müde, gedankenlose alte Frau zu machen!

Vielleicht wird man einwenden: „Wenn diese Ratschläge befolgt würden, wären die Straßen bald voll von hilflosen Kindern, die unfähig sind, für sich selbst zu sorgen?“ Ja, sind denn die Straßen nicht voll von hilflosen großen Kindern? Verlassen nicht Tausende viel zu spät, ohne Kraft zur Selbsterhaltung, das Elternhaus, die dann nur durch niedrigste Arbeit zu elenden Löhnen ihr Leben fristen? Schneidet diese niedrige und erschöpfende Arbeit sie denn nicht vorzeitig von Höherem ab? Da sind noch immer Tausende von Töchtern, denen die Eltern es wehren wollen, in die Welt zu gehen und den Kampf zu wagen mit Mut und Kraft! Das alles sind die Vögel, die im Nest bleiben, bis die Flügel verkümmert sind zu eigenem Flug, und die dann geatzt werden müssen von den törichten Eltern.

Mentale StrömeInhaltsverzeichnisDer innere Arzt

 

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