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Tyrannei oder Wie wir einander mesmerisieren

Keine Tyrannei ist weiter verbreitet oder subtiler in ihren tiefen Wirkungen als die Herrschaft eines Bewusstseins über ein anderes oder andere.

Eine Tyrannei, bei der der Tyrann weder weiß, dass er herrscht, noch der Tyrannisierte, dass er beherrscht wird.

Die unumschränkteste Gewalt ist eben die, der man sich nicht bewusst ist – die Abhängigsten sind jene, die aus eigenem Willensimpuls zu handeln glauben, denen selbst das Wissen um ihre Abhängigkeit wegtyrannisiert wurde.

In dieser Weise herrscht oft das Kind über die Eltern. Das Kind: ein Geist mit neuem Körper, hat vielleicht den weit mächtigeren mentalen Willen, in früheren Existenzen gereift, und daher eine Gewalt der Seele, die jener der Eltern weit überlegen ist, wenn auch Erfahrung und Intellekt des kindlichen Organismus zurückstehen. Es weiß noch nichts von seiner Macht, so wenig, wie die Eltern wissen, dass sie die Schwächeren sind; und doch wird das Kind in Laune und Gebaren seinen Charakter durchsetzen und unbewusst seine Umgebung tiefer beeinflussen, als es selbst beeinflusst wird.

Mit den Worten: „Gewaltige Seele oder mächtiger Geist“ ist nichts Lernbares, kein intellektuelles Wissen gemeint, sondern jene überlegene Kraft, die unmittelbar von Geist zu Geist strömt, ungehemmt durch räumliche Entfernung.

Ein ungebildeter Mensch kann diese stärkere mentale Kraft besitzen. Alles, was er unternimmt, wird ihm höchstwahrscheinlich gelingen! Die Welt nennt das Charakterstärke. Wahre Erziehung heißt: diese eingeborene Geisteskraft befreien und wirksam machen – nicht fremde Gedanken und Fakten (meist falsche) hineinmesmerisieren.

Die stärkere Geisteskraft geht als wirkliches, lebendiges Element auf andere über; sie verändert, beeinflusst, bannt! So warf der erste Napoleon seinen Willen über die Armee: jeder einzelne Soldat fühlte ihn über und in sich! Alle vibrierten von seinem Wesen, spürten, wie sich dies mächtige Element emanierte, ganz wie ihre physischen Sinne die Sonnenstrahlen fühlten!

Und warum, wird man fragen, hat denn die Siegesmacht nicht angehalten? Weil er durch mangelndes Wissen in den gebräuchlichen Fehler verfiel und gestattete, dass sein Geist sich in unebenbürtigen mentalen Sphären bewegte. Er mischte sein psychisches Dynamit mit Sägespänen und schwächte seine mentale Kraft, als er Josephine um einer hochgeborenen, aber inferioren Frau willen verließ; er absorbierte eben diesen inferioren Geist! Da begann die Macht über andere zu schwinden, der Zauber verblich, Josephine war Napoleons ewiges Gemahl – seine Ergänzung und Erfüllung, nicht nach menschlichen Satzungen, sondern dem unendlichen Wissen gemäß. Als sein Geist mit dem ihren verschmolz, wallte eine Gewalt in ihm auf, wirkend auf alle, nah und fern, wie auch unsere Gedanken ohne Unterlass fern dem Körper zu wirken vermögen, wenn auch in schwächerem Grade. Nach dem gleichen Gesetz wirkt auch das überlegene Gedankenelement, das ein Finanzgenie wie Jay Gould im Reiche des Erwerbes aussendet, auf andere Geister nah und fern.

Für einen Menschen, der ein bestimmtes Ziel, einen scharf umrissenen Plan im Leben verfolgt, kann es hinderlich, selbst verderblich, werden, mit Leuten intim zu verkehren, die jenem Ziele oder Plan interesselos gegenüberstehen. Es ist ziemlich belanglos, mit wem man rein geschäftlich und von Berufs wegen verkehrt; doch Vorsicht ist geboten, ehe wir einen Menschen unsere Mußestunden teilen lassen – „wenn wir uns gehen lassen“, passiv sind. Wer in dieser Weise mit einem Unebenbürtigen intim wird, sei es Mann oder Frau, dem wird bei seinen Unternehmungen viel Geisteskraft verlorengehen – der Minderwertige wird die Linie der Tat ablenken oder bis zu einem gewissen Grade beeinflussen. Sehr viel hängt daher von den Genossen unserer Mußestunden ab; von ihnen kommen Elemente, die Leben oder Tod, Mut oder Feigheit, Geistesgegenwart oder Rastlosigkeit bedeuten können! Absorbierte Gedanken, die mit Notwendigkeit wieder in Taten herausgelebt werden, sind das mächtigste und feinste Agens im Universum, um Wohl oder Wehe zu bringen.

Darum braucht sich aber niemand plötzlich und gewaltsam aus gewohnter Gesellschaft zu reißen, was leicht Schwierigkeiten und direkten Schaden verursachen kann – er soll lieber seinen Geist diese Arbeit vollbringen lassen! Ist Trennung für uns und andere besser, so wird das spirituelle Gesetz, sobald wir ihm nur vertrauen, diese Trennung leicht, allmählich, ohne schmerzlichen Riss zustande bringen. Es wird nach und nach Ereignisse und Veränderungen eintreten lassen, so dass die Wege des Lebens sich still scheiden, nach anderen Zielen unmerklich und in Frieden. Das Schicksal handelt viel weiser und subtiler als der Eigenwille des Menschen, der turbulente, lähmende, rohgewaltige Methoden liebt.

Männer absorbieren Gedanken leichter von Frauen als von ihresgleichen – Frauen leichter von Männern! Männer werden eher von Frauen als von Männern beherrscht – Frauen eher von Männern. Wenn ein Mann, der sein Wollen auf ein Ziel gerichtet hat, seine Mußestunden mit einer Frau verbringt, die wenig oder kein Interesse an seinen Plänen nimmt, wenn er, an sie gewöhnt, seine Gedanken oft zu ihr schweifen lässt, wird er ein großes Quantum Energie verlieren, das seinem Ziele zugute gekommen wäre. Er wird sich zuzeiten unerklärlich mutlos fühlen, nicht in der Stimmung, sein Werk zu fördern, oder gleichgültig gegen das Ziel selbst. Es fehlt jener stille, ununterbrochene Strom von Enthusiasmus, der unfehlbar Erfüllung bringt! Was ist geschehen? Er hat vom Geiste dieser Frau absorbiert, er denkt ihre Gleichgültigkeit gegen seine eigene Sache! Er ist ein Teil von ihr geworden, wird von ihr beeinflusst, mesmerisiert, ohne dass sie es will oder weiß! Sie mag reizend und faszinierend sein, die Zeit verfliegt in ihrer Gesellschaft, der Mann ist unter ihrem Charme, er kehrt sich zur Zeit wenig darum, dass sie seinen tiefsten Willen nicht teilt. Eine momentane peinliche Enttäuschung, wenn die Gegensätze aufflammen, wird rasch erstickt. Ist die Frau der stärkere und feinere Geist, der in gleicher Weise sich in das Schicksal eines inferioren Mannes verstrickt, so erleidet sie gleiches.

Bevor der Charme verflogen ist, kann aber längst die bürgerliche Ehe geschlossen sein, während die Beziehung mit Ehe im wirklichen Sinne gar nichts zu tun hatte.

Aber kein Mann und keine Frau, die wahrhaft und lebendig im unendlichen Bewusstsein wurzeln, können in diesem Einen je fehlgehen!

Sie sind behütet. Nur das hastige, sinnlose ins Leben Rasen der Menschheit, ohne Rat und Beistand im Unendlichen zu suchen, schafft all diese Not.

Hypnotismus ist nur eine Form der geistigen Tyrannei! Die offenkundigste, da das Medium gestattet, dass sein Wille disloziert werde und statt dessen der Wille des Hypnotiseurs von seinem Leib Besitz ergreife, mit ihm zu schalten wie mit einer Marionette. Zuweilen wird das Medium durch einen glänzenden Gegenstand in der Hand des Hypnotiseurs eingeschläfert, das heißt: völlig passiv gemacht, da es seine ganze Aufmerksamkeit in dem leuchtenden Punkt ruhen lässt; in diesem Moment wirft der Hypnotiseur seinen ganzen Willen, sein „du musst“ auf das Medium. Wer sich absichtlich positiv macht, wird dagegen kaum hypnotisierbar sein! Genauso geht es bei den fortgesetzten mesmerischen Einflüssen im Leben – die ganze Weisheit des Lebens liegt darin, zu wissen, wann man Medium, wann Hypnotiseur sein darf. Denn diese Wechselwirkung von Geist auf Geist kann mitunter zur Quelle höchster Güter werden – jetzt aber entsteht fast nur Schaden aus ihr, wie stets, solange neue Kräfte noch unerforscht und unkontrolliert über die Erde schweifen. Räumliche Entfernung spielt bei dieser Art Wirkung fast keine Rolle. Ein Mensch, mit dem wir lange und intim verbunden waren, kann auf tausend Meilen Entfernung unsern Leib im Guten und Bösen beherrschen, bis seine Macht geschwächt oder gebrochen wird durch die Wirkung eines neuen mesmerischen Einflusses. Die Schwierigkeit liegt darin, zu wissen, ob man beherrscht wird und von wem. Wenn ein Mensch den starken und unbeugsamen, aber schweigenden Wunsch hat, dass wir seinem Wollen gemäß handeln, ohne dass dies Wollen geradezu unseren Instinkten entgegengesetzt ist, so scheint es sehr wahrscheinlich, dass wir konform jenem fremden Willen handeln werden, in der heiligen Überzeugung, nur nach eigenem Ermessen vorgegangen zu sein. In diesem Fall können wir den stärkeren, positiveren Geist haben und unterliegen doch dem fremden Willen, weil wir uns von der Notwendigkeit eines Widerstandes gar nichts träumen ließen, – wir wussten eben nichts von dem Gesetz, das Geist an Geist bindet schweigend, über den Raum hinweg. Wir wussten nicht, wie der Gedanke des anderen fern von seinem Leib in uns nagt Tag und Nacht.

So kann der Schwächere den Stärkeren beherrschen, weil er in seiner Blindheit sich binden lässt von mentalen Ketten. Überall findet sich solche Tyrannei zwischen Gatten, Geschwistern, Eltern und Kindern. Ein Freund kann wie der Geist auf Sindbads Nacken sein, ohne zu wissen, dass er in absolutem Egoismus mit seinem Willen auf einem anderen lastet.

Solches Beherrschtsein ist immer schädlich, denn die Fehler, Irrtümer und auch physischen Schwächen des anderen kommen dann zu unseren eigenen hinzu, der Weg unseres Lebens beginnt zu wanken, abgelenkt von den tieferen Gesetzen seiner eigenen Bahn!

Unsere Sehnsüchte erscheinen dann plötzlich wie „Launen“, „leere Hirngespinste“ oder bis zur Unerreichbarkeit fern. Gerade, wo wir glauben sollten, – an unsere eigenen Kräfte zweifeln wir. Ist doch der Glaube an eine Kraft Gebet; und jedes Gebet trägt seine Erfüllung schon in sich. Unser wahres Selbst kann durch einen solchen unbewussten mesmerischen Prozess beiseite geschoben werden; und ein inferiores Leben lebt unser eigenes Dasein. Wenn uns ein Mensch in den Straßengraben stößt, ist der Schaden gleich groß, ob es nun absichtlich geschah oder nicht.

Heute gibt es Tausende und Abertausende mesmerisierter Kinder, auf denen die Wünsche und Hoffnungen der Eltern lasten, die eine bestimmte Art Leben für ihre Kinder in Gedanken bauen, das abzuwerfen diese noch nicht die Kraft haben, das ihrer wahren Schicksalslinie aber entgegenwirkt, sie aufhält und stört, ja das physische Leben der Kinder sogar vernichten kann. Mehr als ein Schutz für die zarteste Jugend soll Elternliebe nicht sein. So aber bauen die Eltern all ihre eigenen Irrtümer in die jungen Leben hinein, bis in diese unbewusst mesmerisierten Geister kein neuer Strahl mehr brechen kann, und so fahren sie fort zu glauben, wie bisher geglaubt wurde; zu irren, wie die Eltern irrten, und leiden infolgedessen, wie die Eltern gelitten haben, um endlich in Pein und Agonie wieder ihren Körper zu verlieren, wie ihn die Eltern verloren haben.

Verlange Befreiung von jeder Tyrannei, und du wirst am Ende befreit werden. Du wirst diese Gesetze dann besser erkennen. Dein Geist wird fühlen lernen, wenn die Gefahr da ist, von andern gebunden und hinweggeführt zu werden.

Viele Menschen unterliegen ganz sonderbaren Mesmerisierungen, die sie sich kaum einzugestehen wagten, wüssten sie selbst darum. Wir werden zuzeiten förmlich überwältigt von Beamten hinter Gittern in ihren Verschlägen! Da werden wir manchmal ganz scheu und schwach bei Dingen, die sich bei ruhiger Betrachtung als unser vernünftiges Recht erweisen. Desgleichen fürchten wir in mancher Umgebung und zu gewissen Zeiten Fragen zu stellen, um nicht unwissend zu erscheinen! Und das alles wegen Menschen, die wir bei näherer Bekanntschaft gewiss nicht der höchsten Ehrfurcht für wert hielten. Viele lassen sich geduldig gewisse „Geschäftskniffe“ und kleinere Unregelmäßigkeiten gefallen aus Furcht vor dem Skandal. Der Grund, den sie vor sich selber geben, ist natürlich der, sie seien zu großdenkend, um sich solcher Kleinigkeiten wegen zu ereifern – in Wirklichkeit steckt aber eine gewisse Feigheit vor der Meinung bestimmter Menschen dahinter. Sie stehen unter dem Einfluss niedriger Geister; aus Furcht, für „schäbig“ oder „kleinlich“ zu gelten, lässt sich zuweilen eine ganze Familie von einem Dienstboten tyrannisieren.

„Treppenwitz“ ist die Rückkehr zur gewohnten Denkatmosphäre, wenn die Mesmerisierung durch ein Milieu aufgehört hat.

Nie sich beugen, nie sich erniedrigt fühlen in irgendeines Menschen Gegenwart…! Wer es tut, leitet den Gedankenstrom sklavischer Abhängigkeit in sein Gemüt, eröffnet ein Tor, durch das der gleiche Strom auch bei unwürdigen Anlässen eindringen kann. Wir sollen bewundern, das Talent eines andern ehren, aber wie von König zu König, mit dem reinen, tiefen Wunsch, ein Gleiches möge in uns geweckt und geboren werden, ein Talent, unserem Wesen so eigen wie jenem das Seine.

Man kann gleicherweise durch einen Gedankenstrom mesmerisiert werden wie durch einen einzelnen Menschen; oder das Individuum ist nur der Leitungsdraht für die allgemeine Strömung. Der sich duckende Gedanke – die Furcht vor irgend etwas, vor Krankheit, Armut, Tod –, wie ihn Millionen Gehirne stündlich ausstrahlen, dann wieder die tyrannische Herrschsucht, die der gleiche Sklavensinn ausströmt, wird ihm einmal Gelegenheit zum Tyrannisieren! All das fließt zu einem permanent anwachsenden, ungeheuren Strom zusammen. Eröffne deinen Geist nur im geringsten diesem Strom, und er stürzt über dich herein; da gibt es kein Halten mehr. Du wirst eine Zeitlang mitgerissen, und alles zeigt seine düstere Seite; um dich sind nur Misserfolg und Elend und Mutlosigkeit und Menschen, die nie und unter keinen Umständen den Finger rühren werden, dich zu unterstützen, wenn du Miene machst, dir selbst zu helfen.

All das scheint recht entmutigend; doch diese übeln falsch angewandten, unreifen Kräfte sind wie nichts, verglichen mit der Macht des unendlichen Bewusstseins, dem wir unsere Sinne erschließen können, sobald wir zu bitten gelernt haben.

Durch schweigendes Gebet kommen wir in diese oberen Ströme, – man könnte sogar sagen, wir würden durch das Unendliche „mesmerisiert“. Gegen solche Beeinflussung ist nichts einzuwenden, da sie unser wachsendes Glück bedeutet, stets klareren Geist und schöneren Leib schafft und alle Fähigkeiten steigert und erneuert!

Dieses Hineinruhen, dies persönliche Versenken in das unendliche Bewusstsein sollte uns weit über aller menschlichen Intimität stehen – dann leitet uns das unendliche Bewusstsein selbst zu den besten irdischen Genossen. Dann haben wir die Sicherheit der Intuition, die blitzhaft den Wert der Menschen offenbart.

Wer vom unendlichen Bewusstsein mesmerisiert ist, kann auch nicht für lange unter menschliche Willenstyrannei kommen, – er wächst einfach über ihren ganzen Wirkungskreis hinaus. Von dem unendlichen Bewusstsein mesmerisiert werden, nimmt der Individualität nichts, steigert sie vielmehr.

Die Menschen haben immer die Tendenz, irgendein möglichst kompliziertes und ausgeklügeltes System zu ihrem Wohle zu erdenken; daher sind sie immer auf der Hut: sie achten auf dieses, zittern vor jenem!

Das ist Menschensatzung, – das große Gesetz will nur Glauben; und es wird alles für uns vollbringen.

Ein Gebet

Hier bitten, hier verlangen wir, dem unendlichen Bewusstsein immer näherzukommen, uns seiner Realität immer klarer bewusst zu werden, Beweise dieser Realität zu bekommen, zu lernen, wie man ihm vertrauen könne ohne Grenzen.

Wir wollen von allem Zweifel gereinigt werden. Wir bitten, in die Gemeinschaft des unendlichen Bewusstseins aufgenommen zu werden, damit es uns begleite wie ein Freund, damit wir im wirklichsten und wahrsten Sinne erkennen, wie es die große Realität selbst sei, die eindringt und hilft und wirkt in den kleinsten Dingen des täglichen Lebens wie in den großen Gesetzen des Kosmos! Wir bitten, in dieser Kraft ruhend, um das Gefühl der Sicherheit des Friedens von allem Leid, Sicherheit vor Elend, Krankheit und allen Übeln, die die Menschen fürchten, so dass wir in Wahrheit sagen dürfen: Und ob ich gleich durch das Tal der Todesschatten gehe, fürchtet meine Seele nichts.

Das Gesetz der EheInhaltsverzeichnisWie man seine Unternehmungen fördert

 

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