Aus dem Buch „Mary, die unbändige göttliche Lebenslust“ von Ella Kensington
Als wir wieder zurück in die Stadt kamen, gingen wir gleich zum Abendessen in ein einheimisches Restaurant. Es war zwar noch früh, aber wir hatten beide tüchtig Hunger durch den langen Spaziergang. Ich freute mich immer noch, dass ich diesen Tag fast ununterbrochen mit ihr verbringen würde. Ich fühlte mich wie verzaubert in ihrer Gegenwart. Ich sah die Welt mit ganz anderen Augen. An jeder Kleinigkeit konnte ich mich erfreuen. Die Umgebung, das Ambiente, das Essen und die vielen freundlichen Menschen hier. In Ihrer Gesellschaft konnte ich alles noch intensiver wahrnehmen.
Während ich so in meinem Glück schwelgte, kam ein Mann auf uns zu. Sie konnte ihn nicht sehen. Er hielt ihr mit seinen Händen von hinten die Augen zu.
„Rate mal, wer hier ist!“, sagte er kindisch.
Meine Traumfrau sprang auf und umarmte ihn vor Freude. Mir blieb das Herz fast stehen.
Das kann nur ihr Freund oder Mann sein, dachte ich. Am liebsten wäre ich gleich tot umgefallen. Ich konnte es kaum vermeiden, dass mir die Tränen in die Augen schossen. Jetzt war alles vorbei. Was für einen Grund sollte ich jetzt noch haben, hier zu bleiben? Mir war auf einmal so übel, dass ich das Essen am liebsten wieder ausgespuckt hätte.
„Das ist Elmar“, sagte meine Traumfrau, nachdem sie sich von der Umarmung dieses Typen gelöst hatte.
„Hallo“, quetschte ich heraus. „Ich bin Michael.“
„Es freut mich, dich kennen zu lernen, Michael“, gab dieser Typ arrogant an.
„Freut mich auch“, zwang ich mich zu sagen.
„Elmar und ich sind zusammen hier angekommen“, sagte meine Traumfrau euphorisch.
„Das heißt, dass sie zumindest nicht verheiratet sind“, dachte ich. „Aber so wie die beiden sich bei der Begrüßung verhalten haben, sind sie wohl ineinander verliebt.“
Was sollte ich jetzt tun? Mich unter irgendeinem Vorwand zurückziehen? Oder sollte ich so masochistisch sein, mir ihre Zweisamkeit anzutun? Dieser Augenblick gehörte wohl zu den schlimmsten meines gesamten Lebens.
Elmar setzte sich natürlich zu uns. Er hatte viel zu erzählen. Mit einer kleinen Gruppe war er am Tag nach meiner Ankunft zu einer Outdor-Exkursion zur Nachbarinsel aufgebrochen. Es muss eine bombastische Erfahrung gewesen sein. Sie hörte ihm die ganze Zeit mit Bewunderung zu. Ich fand eher blöd, was er erlebt hatte. Doch ich denke, ich hätte alles blöd gefunden, was dieser Typ erzählt hätte.
Meine Traumfrau sagte ihm natürlich, dass wir uns heute Abend mit ein paar Leuten treffen wollten, um zu singen. Wenn ich mir vorstellte, wie die beiden sich anhimmeln würden, blieb mir bereits der Gedanken ans Singen im Halse stecken. Ich würde unmöglich einen Ton herausbekommen.
Nach einer Weile kam noch ein zweiter Mann von hinten an Sie rangeschlichen. Auch er hielt ihr die Augen zu.
„Überraschung“, sagte er.
Jetzt verstand ich gar nichts mehr. Auch ihn umarmte Sie sehr herzlich. Es stellte sich heraus, dass auch dieser Mann, er hieß Markus, bei der Exkursion dabei war. Sie verhielt sich auch ihm gegenüber sehr liebevoll.
„Welcher ist denn nun ihr Freund?“, fragte ich mich in Gedanken. „Oder geht sie mit allen Menschen so um, die sie mag?“
Meine schlechten Gefühle beruhigten sich wieder etwas. Es schien, als hätte sie mit beiden keine wirkliche Liebesbeziehung.
„Sicherlich, es könnte sich etwas entwickeln“, dachte ich ängstlich.
Ich beschloss, aus diesem Grund auf jeden Fall zum Singen mit zu gehen. Ich hatte sie noch nicht ganz verloren.
Während wir so dasaßen, fühlte ich mich total ausgeschlossen. Ich hatte den Eindruck, dass Sie sich kaum noch für mich interessierte. Jetzt, wo ihre Freunde wieder da waren.
Ich war wohl in den letzten Tagen nur Lückenbüßer, „dachte ich mir frustriert. „Wahrscheinlich ist jetzt auch Schluss mit den Geschichten von Mary. Was kann ich tun?“
Ich machte gute Miene zum bösen Spiel und versuchte, möglichst lustig zu wirken. Aber die drei nahmen sowieso kaum Notiz von mir. Niemand hatte mich gefragt, wie es mir hier gefiel oder was ich hier wollte. Die beiden Männer waren offensichtlich beide an meiner Traumfrau interessiert. Sie versuchten ständig, sich gegenseitig auszustechen. Jeder hatte noch etwas Tolleres erlebt als der andere. Natürlich kam auch Markus mit zum Singen.
Ich hatte nicht das Gefühl, mit diesen beiden Männern konkurrieren zu können. Einer von beiden würde das Rennen bei ihr wohl machen.
Als wir uns nach dem Essen auf den Weg zu unserem Treffpunkt machten, konnte ich nur hinter den dreien herlaufen. Beide bemühten sich sehr, an ihrer Seite zu sein, was ich durchaus verstehen konnte.
Ich hasste diese beiden Männer. Sie hatten mir meine Traumfrau weggenommen. Ich hatte mir den Tag so schön vorgestellt, und jetzt war alles ganz großer Mist. Trotzdem gab ich die Hoffnung nicht auf, dass sie sich aus irgendeinem Grund doch für mich entscheiden würde. Ich klammerte mich an diese Hoffnung. Ich lief also weiterhin brav hinter den dreien her. Sie sah so schön aus, wie sie so vor mir lief. So schön und unerreichbar.
Als wir an unserem Treffpunkt ankamen, hatte ich für die schöne Umgebung und die gute Stimmung, die ich gestern noch so genossen hatte, überhaupt keinen Sinn. Ich empfand nur Traurigkeit, Wut und Verzweiflung und ein wenig Hoffnung. Aber wirklich nur sehr wenig.
Der Gitarrist, den ich gestern noch so gut fand, spielte heute total schlecht. Die anderen schien das nicht zu stören. Sie waren genauso vergnügt wie gestern. Teilweise war es schon ziemlich schlimm, wie manche in der Truppe sangen. Aber mich interessierte der Gesang eigentlich überhaupt nicht. Ich beobachtete nur, wie meine beiden Kontrahenten sich bemühten, sie anzumachen. Ich hatte das Gefühl, dass sie Elmar favorisierte. Mit ihm schien sie auch viel vertrauter zu sein als mit Markus. Nur singen konnte dieser Elmar überhaupt nicht. Sie schien das nicht zu stören. Sie vergnügte sich mit ihm genauso wie gestern mit mir.
„Es hatte also doch nichts zu bedeuten, dass sie mich gestern manchmal so verliebt angesehen hatte beim Singen“, dachte ich ernüchtert. „Es war wohl nur ein reiner Spaß für sie gewesen. Ich sollte mir halt nicht immer so viel Hoffnung machen. Dann würde ich auch nicht so tief verletzt werden.“
Der Abend nahm und nahm kein Ende. Ich quälte mich sehr mit meiner Müdigkeit und dem Gefühl, ausgeschlossen zu sein. Aber ich wollte Elmar das Feld nicht kampflos überlassen. Ich hielt also durch, bis meine Traumfrau zurück in ihr Haus gehen wollte. Natürlich wollten Markus und Elmar auch gleich mit zurückgehen. Wir liefen also wieder den Weg zurück in die Stadt. Ich den dreien erneut hinterher.
Als wir an ihrem Haus ankamen, hatte ich zunächst große Angst, dass sie einen der beiden mit auf ihr Zimmer nehmen würde. Die beiden bemühten sich sehr darum. Aber sie verabschiedete sich in der gleichen herzlichen Weise von den beiden, wie sie sie auch begrüßt hatte. Danach umarmte sie mich in der gleichen Weise. Mir verschlug es den Atem. Noch nie hatte ich sie so nah gefühlt. Ich empfand die fünf Sekunden, die sie mich hielt, wie eine Ewigkeit. Ich war heilfroh, dass es sehr dunkel war, denn mir schossen sofort die Tränen in die Augen. Ich fühlte einen so starken seelischen Schmerz, dass ich glaubte, mein Herz würde zerspringen. Die schmerzhafte Sehnsucht nach Liebe, die ich in diesem Moment empfand, begleitete mich die ganze Nacht. Obwohl ich mehr als müde war, brauchte ich eine Ewigkeit, um einzuschlafen.
Als ich am Morgen wieder aufwachte, fühlte ich mich zunächst noch einigermaßen normal. Die Verzweiflung der letzten Nacht war etwas abgeklungen. Ich versuchte, möglichst wenig an gestern und an sie zu denken. Unterschwellig spürte ich jedoch immer noch diese schmerzhafte Sehnsucht nach ihrer Liebe. Ich versuchte, mich abzulenken, soweit es ging. Ich beeilte mich wie ein Verrückter, um zum Frühstück zu gehen. Es gab zwar überhaupt keinen Grund dafür, aber ich tat es, weil ich mir ein wenig Stress zur Zerstreuung antun wollte.
Es hatte noch niemand etwas fürs Frühstück besorgt. Deshalb ging ich los, um einzukaufen. Auf dem Weg in die Bäckerei konnte ich nicht umhin, zu erkennen, wie alleine ich war. Die Sehnsucht, die ich die ganze Zeit latent gespürt hatte, brach jetzt voll durch. Mir standen sofort wieder die Tränen in den Augen. Immer wieder ertappte ich mich dabei, dass ich umher sah, um ja nicht zu verpassen, wenn sie zufällig irgendwo auftauchen würde.
So konnte das nicht weitergehen. Ich musste eine Lösung finden. So wie ich jetzt drauf war, würde ich mit Sicherheit nicht sehr attraktiv auf meine Angebetete wirken. Diese Gedanken ließen mir die Aussichtslosigkeit der Situation noch deutlicher werden. Je schlechter ich drauf war, desto weniger Chancen hatte ich, ihr zu gefallen. Und je weniger ich ihr gefallen würde, desto depressiver würde ich. Auf diese Weise steigerte ich mich immer tiefer in Depressionen hinein. Bis zu dem Punkt, wo ich beschloss, schnell wieder in mein Zimmer zu gehen, damit sie mich auf keinen Fall so sehen würde.
Als ich unser Haus betrat, kam mir Bodo entgegen.
„Na, Michael“, sagte er, „ist die Welt wieder einmal grässlich hässlich?“
Im ersten Augenblick fühlte ich mich auf den Arm genommen. Ich stand da und war mit den Nerven völlig am Ende, und der machte dumme Sprüche. Ich wusste nicht so recht, ob ich mich jetzt über seine Gegenwart freuen, oder mich ärgern sollte.
„Ich habe schon einmal mehr gelacht, wenn du das meinst“, erklärte ich verärgert.
„Dich hat es wieder so richtig gebeutelt, wie es aussieht“, stellte Bodo fest.
„So könnte man das ausdrücken“, gab ich frustriert zu.
„Willst du mir erzählen, was vorgefallen ist?“
„Im Moment ist mir eigentlich nicht danach, Bodo“, sagte ich ihm ablehnend.
„Dann lass mich dir nur Folgendes sagen: Viele Dinge sehen manchmal ganz schrecklich aus, und später erkennst du, dass doch alles in Ordnung ist.“
„Ich glaube nicht, dass das dieses Mal zutrifft“, bezweifelte ich. „In diesem Punkt kann ich mich gar nicht so getäuscht haben, leider.“
„Wir haben doch darüber gesprochen, dass du die Welt nicht so wahrnehmen kannst, wie sie in Wirklichkeit ist“, erinnerte mich Bodo.
„Ja, aber das hier ist etwas anderes“, wandte ich ein. „Das ist nicht nur eine Wahrnehmung von mir, die ich genauso gut auch anders wahrnehmen könnte. Ich erzähle dir jetzt doch, was sich zugetragen hat. Vielleicht kannst du mich dann verstehen.“
Ich ging mit Bodo in die Küche und erzählte ihm die gesamte Geschichte. Das von Markus und Elmar und auch von der schmerzlichen Sehnsucht, die ich empfand. Bodo hörte sich alles an.
Als ich den ganzen Müll von meiner Seele abgeladen hatte, sagte er: „Das kannst du aber auch ganz anders sehen. Wenn du jetzt dieser Elmar gewesen wärst, von dem du ja glaubst, er habe die größten Chancen. Wärst du dir an seiner Stelle sicher, dass sich deine Traumfrau nicht in Markus oder gar in Michael verliebt hat? Würdest du dich vollkommen wohl fühlen, wenn du Elmar wärst? Denk einmal darüber nach! Wie hättest du es empfunden, wenn du mitbekommst, dass deine Traumfrau sich die letzten Tage mit Michael herumgetrieben hat? Wärst du dir sicher, dass zwischen den beiden nichts gelaufen ist? Und wie hättest du dich dabei gefühlt, dass deine Traumfrau die beiden anderen genauso zärtlich umarmt, wie dich selbst? Und war die Umarmung für Michael vielleicht doch noch etwas liebevoller? Denk darüber nach, Michael!“
Es dauerte eine Weile, bis ich Bodo antworten konnte. Auf jeden Fall erkannte ich, dass ich als Elmar genauso wenig zufrieden wäre. Ich wäre sicherlich auf Markus und mich eifersüchtig. Vielleicht hätte ich sogar mir selbst die größten Chancen eingeräumt. Wenn ich mir vorstellte, ich sei Elmar und ich hätte erfahren, dass meine Traumfrau diesem Michael seit Tagen diese seltsame Geschichte erzählt und dadurch sehr viel Zeit mit ihm verbringt, dann hätte ich in ihm mit Sicherheit die größte Gefahr gesehen. Meine Gefühle wurden allmählich wieder besser.
„Du hast gar nicht so Unrecht“, stimmte ich erleichtert zu. „Von dieser Seite hatte ich die Sache noch nicht betrachtet. Ich fühle mich schon wieder viel besser. Danke!“
„Wie du siehst, Michael, ist alles eine Frage der Sichtweise. Was glaubst du? Welche Sichtweise ist nun die Wirklichkeit?“, wollte Bodo wissen.
„Keine Ahnung. Das kann ich nicht wissen“, antwortete ich.
„Du warst dir aber vorhin absolut sicher, dass deine alte Sichtweise die einzig wahre ist, oder?“, machte mich Bodo darauf aufmerksam.
„Vorhin schon, aber jetzt nicht mehr.“
„Würdest du mir Recht geben, wenn ich sage, dass du auch hier die Wirklichkeit nicht wahrnehmen kannst?“
„Das würde ich sicherlich“, stimmte ich zu.
„Dann überlege noch einmal! Mit welcher Sichtweise hast du die besten Chancen, deine Traumfrau für dich zu gewinnen?“, forderte mich Bodo zum überlegen auf.
„Sicherlich mit der, dass ich ihr Favorit bin“, erklärte ich hoffnungsvoll.
„Das denke ich auch. Und mit welcher Sichtweise fühlst du dich grundsätzlich am besten?“
„Na, mit der gleichen natürlich“, erkannte ich.
„Jetzt noch eine Frage: Wenn du die Wirklichkeit sowieso nicht wahrnehmen kannst, solltest du dann nicht einfach die Sichtweise wählen, die dir am besten gefällt?“, schlug Bodo vor. „Wie du siehst, würden dadurch deine Chancen bei deiner Traumfrau nur verbessert.“
„Das schon, aber wenn es dann trotzdem nicht so ist, wie ich es mir ausgedacht habe, dann wäre ich noch mehr enttäuscht“, sagte ich voller Angst.
„Auch das wäre nur eine Frage der Sichtweise“, erwiderte Bodo. „Alles ist eine Frage der Sichtweise. Wenn du beispielsweise glauben würdest, dass eine noch viel tollere Frau auf dich wartet. Eine Frau, wie du sie dir momentan so schön gar nicht vorstellen kannst, die auch alle geistigen und seelischen Qualitäten hätte, die du dir wünschen kannst. Würdest du es dann immer noch als das Ende deines Lebens empfinden, dass du mit deiner Traumfrau nicht zusammen kommst?“
„Und wenn die dann doch nicht kommt?“, fragte ich zweifelnd.
„Michael, es ist vollkommen egal, was kommt. Es gibt immer eine Sichtweise, bei der du das Gefühl hast, vollkommen glücklich zu sein.“
„Ich weiß nicht. Das klingt alles ziemlich unrealistisch“, meinte ich ablehnend.
„Michael, tu mir einen Gefallen und konzentriere dich noch einmal darauf, dass es keine Wirklichkeit gibt. Darauf, dass du die Welt immer nur durch irgendeine Sichtweise wahrnehmen kannst. Dadurch lösen sich erst einmal deine negativen Gefühle weitestgehend auf.“
Ich tat, um was mich Bodo gebeten hatte. Es dauerte sicherlich fünfzehn Minuten, bis sich meine schlechte Stimmung aufgelöst hatte. Ich hatte zuerst Bedenken, dass ich Bodo nicht so lange warten lassen könnte. Aber er wartete geduldig, bis ich fertig war.
„Nun?“, fragte er, „Wie fühlst du dich jetzt?“
„Okay“, sagte ich. „Nicht besonders gut, aber auch nicht besonders schlecht.“
„Gut, dann konzentriere dich jetzt wieder einmal auf das Gefühl, dass alles schön ist“, bat mich Bodo. „Weißt du noch, was für ein Gefühl das war?“
„Ja. Es war so ein schönes, warmes Gefühl in der Brust, das sich immer weiter ausbreitete.“
„Erinnere dich ganz genau an dieses Gefühl, oder stell es dir vor. Mach das so lange, bis du es wieder deutlich fühlen kannst.“
„Da brauche ich gar nicht lange zu warten“, erklärte ich erfreut. „Es kam schon sofort, als du darüber zu reden begannst.“
„Okay, dann lass es stärker werden! Genieße es!“, motivierte mich Bodo.
Ich merkte, wie dieses Gefühl sich mehr und mehr in meinem Körper ausbreitete. Es wurde immer stärker, und ich konnte immer weniger verstehen, worüber ich mich eigentlich so aufgeregt hatte. Ich wollte die übung schon beenden, da ich glaubte, dass nun alles wieder in Ordnung sei. Aber Bodo meinte, ich solle noch ein wenig weitermachen. Nach ein paar Minuten fühlte ich mich schon richtig betrunken von diesem Gefühl. Ich begann, ganz unwillkürlich zu grinsen.
An dieser Stelle sagt Bodo: „Okay, du bist angekommen. überlege jetzt bitte noch einmal! Was ist, wenn deine Traumfrau dich nicht haben will?“
Normalerweise hätte diese Frage bei mir sofort Depressionen ausgelöst, aber ich empfand in diesem Augenblick die Welt als wunderschön, egal, was passiert.
„Dann kommt irgendetwas anderes Schönes“, erwiderte ich selbstsicher.
„Michael, wie du siehst, hast du die Wahl, dein Leben von der schaurigen Seite zu betrachten oder von dieser“, stellte Bodo fest. „Keine von beiden ist die Wahrheit, denn die kannst du niemals wahrnehmen. Wenn du also die Wirklichkeit sowieso nicht wahrnehmen kannst, und wenn du die Wahl hast, welche Seite des Lebens du wahrnehmen willst, für welche entscheidest du dich dann?“
„Was für eine Frage? Was interessiert mich die Wirklichkeit? Ich kann sie ja, wie du sagst, sowieso nicht erkennen. Warum sollte ich sie also nicht einfach so wahrnehmen, wie sie mir am besten gefällt?“, erklärte ich zustimmend.
„Das sehe ich genauso“, gab mir Bodo Recht. „Ich werde dich jetzt wieder alleine lassen. Ich möchte dir noch einen Ratschlag mit auf den Weg geben. Wenn du durch irgendeinen Umstand schlechte Gefühle bekommst, dann mach dir sofort wieder klar, dass diese Gefühle nur Produkt deiner Sichtweise sind. Erinnere dich wieder an die Entscheidung, die du eben getroffen hast und konzentriere dich auf dein Gefühl. Es werden Situationen kommen, die dir wieder schlechte Gefühle machen. Auch wenn du das jetzt nicht glauben kannst. Wenn man in diesem schönen Gefühl ist, kann man sich überhaupt nicht mehr vorstellen, dass man jemals freiwillig dort wieder herausgeht. Und doch tut man dies immer wieder ganz automatisch. Man tut es, weil man glaubt, es tun zu müssen. Mit der Zeit wird einem jedoch klar, dass es keinen wirklichen Grund dafür geben kann. So weit bist du aber noch nicht. Deshalb denke daran, dich immer wieder zurückzubringen! Du weißt ja wo du mich findest, wenn du damit Schwierigkeiten bekommen solltest.“
„Ich werde mich bemühen, Bodo. Ich danke dir.“
„Also dann, bis bald. Ich muss noch mal weg. Tschüss.“
„Tschüss, Bodo.“
Mann, ging es mir wieder gut! Das Leben hatte seine Schönheit wieder zurückgewonnen. Ich war sehr froh, hier zu sein. An die große Sehnsucht von vorhin konnte ich mich kaum noch erinnern. Es war, als ob ich das alles nur geträumt hätte. Ich fühlt mich auch überhaupt nicht mehr alleine. überall um mich herum waren nette Leute. Und auch viele der Frauen, die hier waren, fand ich sehr interessant. Eigentlich fand ich sie alle irgendwie sehr schön. Wenn meine Traumfrau mich also nicht haben wollte, wäre das auch nicht so schlimm gewesen. Die Welt war voll von tollen Frauen. Und trotzdem, die Beste von allen war schon sie.