Gina Lake
Das Ego ist besessen von seinen Geschichten darüber, wie das Leben für uns funktioniert. Habt ihr das bemerkt? Es überprüft immer, wie die Dinge sich für uns entwickeln und stellt seine Erzählung über das Leben dementsprechend ein. Wenn etwas „Gutes“ geschieht, ist die Geschichte eine gute; wenn etwas „Schlechtes“ geschieht, ist die Geschichte schlecht. An einigen Tagen verläuft unsere Geschichte großartig, während sie an anderen eine schreckliche Wendung nimmt! Dieses Erzählen von Geschichten verwandelt das Leben in eine Achterbahn: Eine Minute seid ihr oben (glücklich), und eine Minute seid ihr unten (unglücklich), je nachdem, wie eure Geschichte verläuft oder auf welche Einzelheiten eurer Geschichte ihr euch konzentriert.
Wenn der Moment (das Jetzt) von jeglicher Geschichte, wie euer Leben verläuft, befreit wird, dann ist das Leben ziemlich einfach und unkompliziert.
Dinge entstehen im Moment – Eindrücke, Gedanken, Anblicke, Klänge, Eingebungen, Handlungsimpulse, Verlangen und Gefühle. All diese Dinge gehören zum Lebensgeschehen. Wir reagieren oder reagieren nicht auf diese Dinge, und das ist ebenso Teil des Lebensgeschehens. Dabei kommen dann oft Gedanken auf, wie die Dinge für uns funktionieren. Oft sind es Erzählungen davon, etwas nicht zu haben, etwas zu wollen, oder etwas nicht machen oder erleben zu wollen. Selbst wenn die Erzählung eine gute ist – „Dinge klappen großartig“, „Ich mache eine Menge Geld“, „Ich fühle mich wunderbar“, „Ich habe alles, was ich will“ – da ist trotzdem nur das wirkliche Leben, wie es sich ereignet, als Eindrücke, Gedanken, Anblicke, Klänge, Eingebungen, Handlungsimpulse, Verlangen und Gefühle. Die gleichen Dinge müssen gemacht werden (z. B. eine Dusche nehmen, die Wäsche waschen, einkaufen gehen, den Hund spazieren führen, eure Arbeit machen, etc.), ob eure Lebensgeschichte, eine gute oder eine schlechte ist.
Die meisten würden damit übereinstimmen, dass eine gute Erzählung einer schlechten vorzuziehen ist. Gute Geschichten lassen uns gut fühlen, und schlechte lassen uns schlecht fühlen. Erzählungen färben unsere Erfahrung vom wirklichen Leben: Wenn unsere Erzählung gut ist, macht es uns nichts aus, eine Dusche zu nehmen, die Wäsche zu waschen, einkaufen zu gehen und all die anderen Dinge, die Teil des wirklichen Lebens sind. Wir fühlen uns glücklicher und handeln liebevoller, wenn unsere Erzählung darüber, wie unser Leben funktioniert, eine gute ist. Wenn unsere Geschichte eine schlechte ist, neigen wir dazu, was auch immer im Leben erscheint, als eine Last und ein Problem zu sehen, sogar Dinge, die es normalerweise nicht sind. Wir widersetzen uns dem Leben. Wir fühlen uns schlecht, und es ist wahrscheinlich, dass wir uns schlecht gegenüber andere benehmen.
Was wir vielleicht nicht erkennen, ist, dass wir einige Wahlmöglichkeit über unsere Geschichten haben. Sie mögen ungebeten auftauchen, aber wir müssen uns nicht auf sie einlassen, sobald wir etwas Gespür für sie haben. Wir müssen sie nicht glauben. Wir können sehen, dass sie nur Geschichten des Egos sind und wenig mit dem wirklichem Leben zu tun haben. Diese Erzählungen dienen in Wirklichkeit keinem Zweck. Welchen Nutzen hat es, das Leben zu bewerten? Aber das ist es gerade, was das Ego macht. Es erklärt, dass etwas gut oder schlecht ist. Es hat ein schwarzweißes Weltbild, welches die Schönheit und Komplexität des Lebens auslässt. Wenn wir aufhören, uns mit diesen Geschichten zu identifizieren (wenn wir aufhören, sie zu besitzen und anzunehmen, dass sie die Wahrheit widerspiegeln), hören sie auf, unser Verhalten und unsere Erfahrung vom wirklichem Leben zu beeinflussen. Dies hat Frieden und Gleichmut zur Folge, im Gegensatz zu der emotionalen Achterbahn, auf die uns das Ego bringt.
Der einzige Grund, warum eine gute Geschichte (z. B. „Jeder mag mich“, „Ich bin so glücklich“, „Ich habe den tollsten Job“, „Ich habe eine Menge Geld“, „Ich sehe großartig aus“) das Leben besser macht als eine schlechte Geschichte, ist, dass es uns erlaubt, zu entspannen und das Leben endlich so zu genießen, wie es ist. Die Geschichte selbst macht uns nicht glücklich, zumindest nicht für lange und nicht nachhaltig. Es ist nur, dass es eine gute Geschichte leichter macht als eine schlechte Geschichte, in unsere Essenz zu kommen, wo das Glück unserer wahren Natur erlebt werden kann,. Gute Geschichten helfen uns, uns aus den schlechten Geschichten herauszubewegen, die uns am Ego festbinden, wo wir im Leiden bleiben.
Wenn wir eine schlechte oder traurige Geschichte glauben, konzentrieren wir uns üblicherweise auf das in der Geschichte beschriebene Problem und versuchen, es zu lösen, und so die negativen Gefühle, die die Erzählung geschaffen hat, zu beseitigen ohne uns klar darüber zu werden, dass das Ego der Schöpfer der Geschichte und des Problems ist. Das Ego erfand die Geschichte und das Problem! Es gibt in Wirklichkeit kein Problem, nur das Ego definiert etwas als Problem! Unsere Erzählungen spiegeln eigentlich nicht das wirkliche Leben wider. Sie sind nur Geschichten – aneinander gereihte Glaubensätze. Unsere Egos lieben es, Geschichten zu erzählen Aber das macht sie nicht wirklich, wahr oder unserer Aufmerksamkeit würdig. Keine Geschichte ist jemals wirklich oder wahr. Das Leben ist viel zu komplex, wechselhaft und rätselhaft, um von einer Geschichte eingefangen zu werden, die unser Ego erzählen könnte.
Das Komische an guten Geschichten – zum Beispiel, „Das Geld kommt in Strömen rein“ – ist, dass sie, sogar wenn jene Erzählung wahr ist, nichts an diesem Moment verändert (das wirkliche Leben entfaltet sich trotzdem und nimmt seinen Lauf), obwohl dir eine gute Erzählung erlauben kann, dich zu entspannen und dich an diesem Moment zu erfreuen. Aber die Wahrheit ist, dass ihr keine gute Geschichte benötigt, um euch zu entspannen und an diesem Moment zu erfreuen; ihr müsst nur alle Geschichten beiseitelegen und sie als die bedeutungslosen und falschen Gedanken sehen, die sie sind, und einfach genießen, was auch immer im wirklichen Leben erscheint, und tun, was auch immer ihr im Moment aufgerufen seid zu tun. Alles, was es gibt, ist jetzt- dieser Moment – und was auch immer darin erscheint. Dieser Moment kann Hölle oder Himmel sein, je nachdem, welche Geschichten ihr erzählt und wie viel Aufmerksamkeit ihr ihnen gebt.
Unsere Geschichten darüber wie unser Leben funktioniert, sind nicht wirklich. Sie sind nur Erzählungen. Wenn sie unserem Leben helfen würden, besser zu funktionieren, würde ich sagen, „behaltet sie bei!“ Aber sie tun es nicht. Stattdessen machen sie das Gegenteil. Und zuallermeist machen sie uns unglücklich. Wirkliches Glück wird erleben wir, wenn wir uns aus allen Geschichten herausbewegen und uns heraus aus dem Ego in diesen wirklichen Moment begeben. Wenn wir nicht beteiligt sind an dem Ego und seinen Geschichten, die es über sich und sein Leben spinnt, oder wenn jenen Erzählungen keine Aufmerksamkeit gegeben wird, dann ist es möglich das Leben zu erfahren wie es gerade ist – und das Leben ist immer gut.
Gina Lake – HP: www.radicalhappiness.com
Aus dem Englischen übersetzt von Axel Brepohl
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