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Es gibt vierzig Dinge im Haus, die „zu machen wären“ -… wie man zu sagen pflegt.

Der Teekessel rinnt und gehörte in die Hände des Löters. Der Boden sollte gebürstet werden. Der verkrüppelte Schaukelstuhl hat das Genick gebrochen. Es gibt auch Löcher tief auf dem Grund düsterer Socken. Eine Konservenbüchse ist schimmelig geworden und verlangt nach Reinigung. Borde sollten abgestaubt werden. Eine Latte fehlt auf der Hühnersteige. Die Pläne für meine Gartenarchitektur reifen allmählich, und eine der Hennen beginnt zu brüten.

Da sind zwei Briefe zu schreiben – auch einiges Holz zu hacken und Wasser zu holen. Brot sollte beim Bäcker bestellt werden und vor allem – wichtiger als Brot – eine große, dicke Himbeertorte. Eine zerbrochene Fensterscheibe muss eingeschnitten werden.

Die Bedürfnisse sind ohne Ende – und in fünf Minuten kann ich mehr notwendige Arbeit für meine Hände zusammenstellen, als diese in einem Monat zu vollenden vermöchten. Dann sollte wirklich die Lampe gefüllt werden… Und wo ist denn dieses Messer hin verschwunden? Das Holz ist auch nicht gekommen…

Jede dieser Notwendigkeiten repräsentiert ein Individuum – fordert Zeit, Aufmerksamkeit, Arbeit. Vollzählig auf mich eindrängend, bilden sie einen Mob – einen Pöbel der Seele – und hindern mich, überhaupt irgend etwas zu tun. Zuzeiten fällt die ganze lärmende Bande über mich her, jedes grillt sein Begehren hinaus und besteht darauf, zuerst bedient zu werden.

Ich habe versucht, sie durch Eifer zu beruhigen, befriedigte sie nacheinander so schnell wie möglich.

Diese Methode war kein Erfolg.

Ich befriedigte keines – tat nichts ordentlich und ward weder mir noch ihnen gerecht.

Ich mühte mich, den Hühnerstall zu reparieren, während mein Geist in die Küche zurückging zum Kornbrot im Ofen.

Da meine Aufmerksamkeit vom Hammer abgelenkt war, ging dieser auf meinen Daumen nieder statt auf den Nagel und riss Haut und Fleisch ab. Dann roch es nach angebranntem Kornbrot. Es war angebrannt. Körper im Hühnerstall – Geist in der Backröhre bringt Verwirrung in die Dinge; und aus diesem üblen Gemenge erstand mir ein blutiger Finger, angebranntes Kornbrot, ein schlecht reparierter Hühnerstall – und das schlimmste: Verlust an Serenität, Herzens- und Freudekraft. Ich versuchte, einen Privatbrief zu schreiben. Mein Geist strolchte weg und hinüber zu einem Besen, der am Boden lag. Den nächsten Satz stilisierend, stand ich auf, den Besen aufzuheben, und stieß bei der Partizipialkonstruktion einen Topf mit roter Ölfarbe um. Wieder ein wüster Knäuel von Materie und Geist.

Am nächsten Tag drängte sich abermals der gleiche Mob krakeelend um mich.

Da stand ich auf und wuchs zur Höhe der Situation. Ich sagte: „Dieser Radau hat aufzuhören, und zwar zuerst in meinem Gehirn. Mag Chaos im Hause herrschen – mag wirklich alles zu geschehen haben, so wird von nun an nur ein Ding auf einmal gemacht, und nur mit soviel von meinem Geist und Leib, als ich zu kontrollieren vermag. Hinaus mit euch! Apage! Bis ich ins reine gekommen bin, wer ein Muss ist und wer nicht – wer einfach eine Nützlichkeit und wer eine Not bedeutet, was zum Bedürfnis dieser Stunde gehört und was ohne Schaden auch morgen geschehen kann.“

Der Mob schrumpfte zusammen auf ein paar Individuen. Außer etwas Holzhacken, einigem Wassertragen und noch zwei oder drei anderem „Gemusse“ war keines, das nicht hätte warten können. Nachdem die Notwendigkeiten abgetan waren, wandte ich mich den Unnötigkeiten zu, ließ einen Burschen nach dem anderen antreten, Antwort geben, wenn er gefragt wurde, – dann Ruhe und – ab.

Einer von ihnen war mein Garten. Ich veredle ein paar wildwachsende Pflanzen der Umgegend, grabe sie aus dem nächsten Dickicht und versetze sie auf mein Grundstück. Ich will diese blumigen Wildlinge sich einmal ausleben lassen und sehen, was daraus wird.

Ich versetzte vier junge Zedern und pflanzte in die Mitte eine reizende wilde Rebenart, deren gewöhnlichen Namen ich nicht kenne und deren botanischen ich nicht kennen will.

Soweit gut. Ich arbeitete mit Muße und Freude, empfand das Ganze mehr als Feiertags- und Festhandlung, als plötzlich ein weiterer Ehrgeiz in meinen Sinn kam, eine Serie von Kreisen und Alleen aus jungen Zedern zu machen und einen gewaltigen Raum mit einer Unmenge anderer Pflanzen zu füllen. Ehe ich mich versah, wuchs dieser Ehrgeiz, besaß, beherrschte mich. Ich entdeckte mich hin und her rasend zwischen Dickicht und Garten, die Arme voll entwurzelter Pflanzen und wütend darauf losgrabend. Der Geist, weit voraus, schrie und trieb die Glieder an wie ein Sklavenhalter.

Tatsächlich hatte wieder einer aus dem Mob der Wünsche, Pläne, Launen, oder wie wir nun das alles nennen mögen, mich heimlich eingefangen und zu seinem Hörigen gemacht. Alles ließ ich aus den Armen fallen, setzte mich sofort nieder und sprach: „Dieser Aufruhr hat aufzuhören – ja, auch dieser, und Ordnung muss sein. Ich will weder von allen noch von einem herumkommandiertwerden.“ Ich entwurzelte die großen Gartenbauambitionen und führte alles auf den ursprünglichen Umfang zurück.

Dann ward mir besser.

Dieser Aufstand ist niedergeschlagen. Aber noch nicht alle andern. Dieses Reich des Geistes ist lange Zeit sehr schlecht regiert worden, und etwas wie Unbotmäßigkeit muckt darin auf. Die alten Wegelagerer lungern an den Grenzen, stets bereit hereinzustürzen.

Ein Geplänkel mit einem BaumInhaltsverzeichnisVom Streichen des Hauses

 

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