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Die heilende und regenerierende Kraft des Frühlings

Unser Körper wird in seinem Wachstum und Wechsel von den gleichen Kräften und Gesetzen geleitet, die auch Wachstum und Wechsel aller anderen organischen Gebilde bedingen: der Schlangen, Vögel und Säugetiere!

Jedes Jahr, um Frühlingsanfang, kommt und wirkt eine Kraft auf diesen Planeten, die, von der Sonne stammend, die gesamte organisierte Materie durchdringt, – vor allem aber die höchste, komplizierteste, daher empfänglichste mentale Organisation: den Erdenmenschen! Seine hochgespannten Saiten der Geistigkeit schwingen vielfältiger, als das niedere Leben es vermag, in dem kosmischen Rhythmus mit, und seine Aufgabe in kommenden Zeiten wird es sein, von dieser Sonnenemanation immer mehr zu absorbieren, zu immer größerem Heile, in dem Maße, wie er lernt, sich dieser Kraft ohne Hemmung und restlos empfangend hinzugeben!

Diese rätselhafte, nur der frühen Frühlingssonne eigentümliche Strahlung bewirkt die erhöhte Strömung der Pflanzensäfte – dieses Lebenselixiers, dem dann Knospen und Triebe und Blätter wie Wunder entkeimen!

Das Einströmen dieser Sonnenemanation verleiht dem Baum die Kraft, neuen Vorrat an Nahrung durch seine Wurzeln aus der Erde zu ziehen; auch die Kraft, die letzten toten Blätter und Reste des vergangenen Jahres endgültig abzuwerfen.

Auch Tiere und Vögel, besonders in ihrem freien und wilden Zustand, schwingen in diesem Sonnenrhythmus mit, sie erneuern Federn und Fell; doch ist dieses äußere Abwerfen verbrauchter Materie nur ein kleiner Teil jenes großen Umwandlungsprozesses, der durch den ganzen Organismus geht, jede Zelle durchdringt.

Unser Körper unterliegt dem gleichen Gesetz, – zu Ende des Winters an den Frühlingsgrenzen machen auch wir eine Art “ Mauser“ durch! Wir werfen alte, tote Materie ab und nehmen neue in uns auf, vorausgesetzt, dass wir der regenerierenden Kraft überhaupt Gelegenheit geben, in der günstigsten Weise auf uns zu wirken; das heißt, wenn wir aufhören mit Leib und Geist aktiv zu sein, wenn sie der Ruhe bedürfen, wie es auch die Tiere zu dieser Periode tun.

Das neue Fell, die Federn, die Haut, der veränderte Kreislauf in allem Organischen, die frischen Knospen, Blätter und Zweige sind nur der sichtbare Ausdruck jener unsichtbaren Sonnenemanation. Neue Kristallisationen, die aus neuen Lösungen unsichtbarer chemischer Substanzen stammen, in denen Vögel, Tiere und menschliche Leiber sich baden! Die gelösten Elemente des vergangenen Jahres sind auf diese Art verbraucht, in den Organismus hineingebaut worden. Baum, Tier und Menschen – jede sichtbare Organisation steht zu dieser regenerierenden Lösung in dem Verhältnis des Stabes, an dem sich aus der Lösungsflüssigkeit die Kristalle absetzen!

Es gibt keine Grenzlinie zwischen dem, was wir Geist und Materie nennen! Die Materie ist nur die Form des Gedankens, die sich den äußeren Sinnen offenbart.

Der Indianer nennt Februar und März die „schwachen Monate“! Ein schärferer Beobachter der Natur als wir, erkennt er die Neigung zur Inaktivität, Müdigkeit und Ruhe im Organismus, die nur jene erneuernde, regenerierende und schaffende Kraft begleitet.

Die größten und schönsten Kristalle bilden sich aus jener Lösung, die keiner Erschütterung ausgesetzt wird. Unser Leib unterliegt in der großen Frühlingskristallisation der gleichen Regel. Um der vollen, uneingeschränkten Wohltat dieser großen Kraft teilhaftig zu werden, muss ein Mensch ruhen, sobald er das Bedürfnis danach empfindet, – sei es um Mittag oder Mitternacht!

Wer sich zur Anstrengung zwingt, geistig oder leiblich, wer durch bloßen Willen gegen den Instinkt weiterarbeitet, wie Tausende und Abertausende heute tun und zu tun gezwungen sind dank unsern unnatürlichen Lebensbedingungen, der hält die regenerierende Kraft von sich ab, schädigt und beeinträchtigt frevelhaft ihr Werk! Statt ihr geheimes Weben in sich wirken zu lassen, das im Baume die Knospen schwellt, schleppt er krampfhaft die alten, toten Reste mit sich ins frische Jahr, die abgestoßen werden sollten, wie die Eiche ihre alten Blätter abstößt, trägt verbrauchte alte, tote Last mit sich weiter statt jungen, aufsteigenden Lebens! Auch eine der vielen Ursachen, die Schultern beugt, Haare bleicht und Runzeln schafft!

Der Verfall des Körpers – was wir „Alter“ nennen – beruht einzig auf der Ungläubigkeit oder Unwissenheit des Menschen, auf seiner Unfähigkeit, die Bedingungen aufzusuchen, die ihn mit unerschöpflicher Kraft bekleiden würden. Muskelkraft und unausgesetzter Tatendrang können auch einer fieberhaft gesteigerten Innervation entspringen – einem fast düsteren Delirium, das von Geschäft zu Geschäft rast, wie gepeitscht, kein Halten kennt, noch kennen will, bis der große Kollaps kommt.

Wollten die Menschen jener Idee von der regenerierenden Frühlingskraft ohne Hohn, nur respektvoll, gegenüberstehen, gleichviel ob sie ihr Glauben schenken können oder nicht – schon solche respektvolle Haltung bloßen Zuwartens würde ihnen große Hilfe bringen! Jede lebendige Wahrheit, die beim ersten Auftreten nicht brutal aus dem Gehirn hinausgeworfen wird, fasst irgendwo Wurzel und lebt und beweist ihr Sein durch das Gute, das aus ihr wächst.

Menschen, die hart arbeiten, erlahmen weit früher oder gehen rascher zugrunde als andere. Die Widerstandskraft des abgehärteten Seemanns dauert oft nur wenige Jahre, mit fünfundvierzig oder fünfzig Jahren ist er ein alter Mann. Im ganzen Königreich der Natur wechseln immer Perioden der Aktivität mit denen absoluter Ruhe ab. Die Zirkulation im Pflanzenreiche ruht im Winter, und auch die Tiere tun da wenig mehr als essen und schlafen, sogar der Boden ruht frischer Saat entgegen. Würde sich auch der Mensch zuzeiten so vollkommener Passivität hingeben, er, der so viel mehr von der verborgenen Sonnenkraft aufzunehmen vermag, er würde aufleuchten in geistiger und physischer Wiedergeburt, – Sinne und Kräfte würden in ihm wach werden, deren Existenz heute noch von vielen gänzlich geleugnet wird. Orientalen, Völker des Ostens, haben bis zu einem gewissen Grade, eben durch ihr ruhiges und verinnerlichtes Leben, die Macht über jene neuen Sinne und Kräfte eher erlangt als wir! Sie haben nicht die Stärke und Domination des Eroberers. Indien ist England unterlegen; und doch siegen sie am Ende über die äußerliche Kultur des Westens! Schon sitzen wir zu Indiens Füßen und lernen unsere erste Lektion, das Alphabet jener Gesetze und Kräfte, die unsere Weisen nicht wissen. Und woher diese Kräfte? Woher stammen sie? Wie haben sie sich entwickelt? Aus der Macht schweigender Geister, in Harmonie auf ein Ziel gerichtet durch Jahrtausende! Wir aber nähren den Aberglauben, nichts vollbringen zu können denn durch Hetzen, Rastlosigkeit und Mühe! Wir vermögen nicht in jenen hochschlafartigen Zustand leiblicher Ruhe zu geraten, da unsere Gedankenkräfte in die Ferne wirken und uns hundertfach das zu Füßen legen, was nie durch äußere Anstrengung erreichbar wird. Den jährlichen Prozess des Knospens und Kristallisierens im Körper aber willkürlich zu unterbrechen, ist so ruinierend, wie den treibenden Baum zu beschneiden.

Viele mögen einwenden: „Aber wie können wir unsere Geschäfte im Stich lassen, uns brotlos machen, um den Körper in die „Frühlingsreparatur“ zu geben?“ Menschliche Satzungen sind nicht die natürlichen. Wenn die Natur das Machtwort: „Ruhe“ spricht und der Mensch erwidert: „Arbeit“, so wird am Ende immer der Mensch den Schaden davon haben. Die Notwendigkeit einer Sache erkennen, macht sie schon halb und halb möglich; das Bedürfnis nach ihr, das intensive Verlangen sind an sich ein Gebet – eine Kraft, die Hilfe bringt und uns allmählich hinausgeleitet aus den schädlichen Lebensbedingungen. Das ist die Keimzelle alles Werdens, alles Fortschrittes in ein höheres und würdigeres Leben! – Christus schon hat dieses Gesetz in das große Wort gekleidet: „Bittet, so wird euch gegeben, suchet, so werdet ihr finden, klopfet an, so wird euch aufgetan.“ Er hat es wissentlich unterlassen, dies Mysterium zu erklären, zu sagen, woher es kommt, dass jeder hohen Aspiration, jedem ernsten Gedenken, jedem wahrhaftigen Wollen Erfüllung wird! Doch dieses und andere Geheimnisse sind unergründbar; jede Ursache, die einer Wirkung entspricht, ist nur die Quelle zu einem neuen Mysterium, als dessen Wirkung sie selbst erscheint!

Erst uns ist es gegeben, alle die unbegreiflichen lebendigen Kräfte bewusst zu nützen, ob uns auch ihre letzten Quellen verborgen sind. Die Leiber der Bäume und Tiere verfallen aus Mangel an diesem Wissen. So sind auch wir bisher verfallen! Der letzte große Feind, der besiegt werden muss, ist aber nach Paulus der Tod!

In dem Maße, wie der Mensch durch Wissen die Wunderkräfte um und in sich steigert, lernt er, in der Linie des großen Lebens mitzuschweigen, sich in Harmonie zu bringen mit stummen Gewalten, die sein sterbliches Teil zur Unsterblichkeit wandeln, indem sie es ohne Unterlass aus immer feineren Elementen neu erbauen.

Die Kirche des schweigenden VerlangensInhaltsverzeichnisDie Unsterblichkeit im Fleische

 

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